Die Sozialversicherung in Deutschland besteht aus fünf unterschiedlich historisch gewachsenen Zweigen. Namentlich sind dies: Krankenversicherung, Rentenversicherung, Pflegeversicherung sowie Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung.
Sofern aus einer „Beschäftigung“ (nichtselbständige Arbeit) im Sinne des § 7 des Vierten Sozialgesetzbuches (SGB IV) Einkünfte erzielt werden, so sind für diese innerhalb der jeweils maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenzen (BBG Renten- und Arbeitslosenversicherung: West 90.600 EUR p.a./7.550 EUR mtl. bzw. Ost 89.400 EUR p.a./7.450 EUR mtl. sowie BBG Kranken- und Pflegeversicherung 62.100 EUR p.a./5.175 EUR mtl.) Beiträge zu entrichten. Diese Beitragsbemessungsgrenzen verändern sich jährlich. Aus den Beiträgen werden für den Sozialversicherungspflichtigen entsprechende spätere Leistungen – wie etwa die gesetzliche Regelaltersrente – gespeist. Die zu zahlenden Beiträge werden grundsätzlich paritätisch zwischen dem jeweiligen Arbeitgeber und dem jeweiligen Arbeitnehmer aufgeteilt.
Ob eine nichtselbständige Beschäftigung, die eine Sozialversicherungspflicht begründet, oder eine selbständige Tätigkeit ohne Sozialversicherungspflicht vorliegt, beurteilt sich anhand einer Vielzahl von Kriterien, deren Abgrenzung in der Praxis nicht immer leicht ist. So kommt es bei der jeweiligen Beurteilung letztendlich auf die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles und das daraus folgende Tätigkeitsgesamtbild an.
Um eine nicht selbstständige Beschäftigung handelt es sich, wenn die ausgeübte Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit vom Arbeitgeber erbracht wird. Ausdruck davon ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG die Eingliederung in den Betrieb und das Unterliegen unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeit.
Eine selbstständige Tätigkeit ist dagegen durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
Die sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers als beitragspflichtige abhängige Beschäftigung oder als beitragsfreie selbständige Tätigkeit hängt entscheidend davon ab, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer über die Rechtsmacht verfügt, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen, insbesondere unangenehme Weisungen gegen sich zu verhindern. Besitzt der Geschäftsführer mindestens 50 % der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung oder hat er bei einer geringeren Stimmmacht eine umfassende Sperrminorität, so liegt in aller Regel eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit vor. Der Gesellschafter-Geschäftsführer ist sozialversicherungsrechtlich als Selbständiger einzuordnen. (Anmerkung: Die steuer- und betriebsrentenrechtliche Einschätzung kann hiervon abweichen). Abgestellt wird in der Rechtsprechung sowie durch die Sozialversicherungsträger ausschließlich auf die satzungsgemäße Rechtsmacht des Geschäftsführers kraft seiner Gesellschaftsanteile. Die faktisch zustehende Rechtsmacht als Ideengeber, Gründer, Kapitalgeber, Bürge etc. werden im Rahmen der Prüfung kaum gewichtet, da das Bundessozialgericht eine dahingehende frühere Rechtsprechung (insb. die „Kopf und Seele“-Rechtsprechung) aufgegeben hat. Dies gilt selbst für sog. Familiengesellschaften, die gemeinhin von einer besonderen Rücksichtnahme geprägt sind.
In der Praxis ist häufig die Konstellation anzutreffen, dass für eine vermeintlich sozialversicherungsfreie Person Nachzahlungen (inklusive Säumniszuschläge) zu leisten sind, da eine Zuordnung im Nachhinein ergibt, dass es sich um einen Beschäftigten im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV handelt, für den Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abzuführen sind.
Denkbar – wenn auch weniger häufig – ist auch der gegenläufige Fall. In dem Vertrauen darauf, dass man es mit einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu tun hat, sind Sozialversicherungsbeiträge anteilig arbeitgeber- und arbeitnehmerbezogen eingezahlt worden, der Sozialversicherungsträger nimmt aber nachträglich eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht an, da es sich um einen sozialversicherungsrechtlich beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer handelt.
Im zweitgenannten Fall sind dann grundsätzlich mehrerlei Konsequenzen denkbar, die sich insbesondere sozialversicherungs- und steuerrechtlich ergeben könnten.
Grundsätzlich sind zu Unrecht geleistete Beiträge von den Sozialversicherungsträgern zu erstatten. Wird hinsichtlich irrtümlich geleisteter Beiträge aber kein Erstattungsanspruch geltend gemacht, kommt in der Regel die Umwandlung der geleisteten vermeintlichen Pflichtbeiträge in freiwillige Versicherungsbeiträge in Betracht. Hieraus können dann auch grundsätzlich Anwartschaften aus den verschiedenen Sozialversicherungszweigen erwachsen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang aber, dass freiwillige Beiträge nicht immer geeignet sind, sämtliche Leistungen des Sozialversicherungssystems in Anspruch nehmen zu können. Dies gilt etwa für eine gesetzliche Rente wegen Erwerbsminderung, die zwingend die Zahlung von Pflichtbeiträgen voraussetzt. Länger zurückliegende zu Unrecht erfolgte Beitragszahlungen, die vor Ablauf einer Vier-Jahres-Frist geleistet wurden, gelten als zu Recht gezahlte Pflichtbeiträge (gesetzliche Fiktion) und wirken sich somit wie Pflichtbeiträge aus.
Steuerrechtlich kann sich bei der Frage der Erstattung von Beiträgen eine Vielzahl von Unwägbarkeiten ergeben. Dies etwa bei der Einordnung, ob die Erstattung als Arbeitslohn oder als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren ist.
Weitere Komplexität in beiden Rechtsgebieten (Steuer- und Sozialversicherungsrecht) kann entstehen, wenn bereits Leistungen aus einem oder mehreren Zweigen der Sozialversicherung erbracht wurden.
Gesellschafter-Geschäftsführer sollten sich rechtzeitig mit der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund ins Benehmen setzen, um Missverständnisse zu vermeiden und eine unzutreffende Einordnung möglichst zeitnah zu identifizieren und den Sozialversicherungsstatus verbindlich verbescheiden zu lassen. Die Einholung einer Feststellung der Clearingstelle im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV ist stets zu empfehlen, da man sich auf diese – sogar im Falle einer sich ändernden Rechtsprechung zur sozialversicherungsrechtlichen Einordnung – berufen kann.
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