Dr. Florian Toncar – MdB, Bundestagsabgeordneter für den Kreis Böblingen und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen (BMF) sprach mit IPV-Vorstand Christian Kiefer über die Altersvorsorge in Deutschland und welche Maßnahmen die Politik plant, um diese zu sichern.
Mit Blick auf die demografische Alterung sollte Deutschland eine zu große Belastung der Beitragszahlenden im Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung (gRV) meiden. Um die Chancen der internationalen Kapitalmärkte künftig stärker für die Altersvorsorge zu nutzen, sieht der Koalitionsvertrag vor diesem Hintergrund eine umfassende Verbesserung und Ausweitung der kapitalgedeckten Altersvorsorge vor. Das umfasst alle drei Säulen der Altersvorsorge in Deutschland, neben der gRV also auch die betriebliche Altersversorgung (bAV) und die private Altersvorsorge (pAV).
In der gRV soll mit dem Einstieg in die Kapitaldeckung ein Paradigmenwechsel erfolgen: Mit dem geplanten „Generationenkapital“ wollen wir die finanzielle Basis um eine kapitalgedeckte Komponente (neben Beitragszahlungen und Bundesmitteln) erweitern und die Finanzierung der gRV unabhängiger von der demografischen Entwicklung machen. Auch die beiden schon bisher kapitalgedeckten Säulen der Alterssicherung in Deutschland – die bAV und die pAV – wollen wir stärken, damit sie künftig mehr Menschen erreichen und einen größeren Beitrag zu ihrer Lebensstandardsicherung im Alter leisten. Dafür planen wir Reformen im Jahr 2024.
Eine Einbeziehung von neuen Beamten in die gRV könnte das Umlageverfahren dagegen allenfalls zwischenzeitlich entlasten. Den zusätzlichen Einzahlungen heute stünden zusätzliche Ausgaben in der Zukunft gegenüber; das wäre also keine Antwort auf die strukturelle Herausforderung der demografischen Alterung.
Stattdessen sollten wir zusätzlich zu einer stärkeren Kapitaldeckung Maßnahmen in den Blick nehmen, die die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen erhöhen. Abgeschafft haben wir bereits die Hinzuverdienstgrenzen für vorgezogene Altersrenten. Dadurch ist es jetzt deutlich attraktiver, neben dem Rentenbezug weiterzuarbeiten. Perspektivisch könnte zudem eine Flexibilisierung des Renteneintritts nach skandinavischem Vorbild helfen. Darüber haben wir im Koalitionsvertrag einen Dialogprozess vereinbart, den das BMAS vorbereitet.
„…zusätzlich zu einer stärkeren Kapitaldeckung Maßnahmen in den Blick nehmen, die die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen erhöhen.“
Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, die Absicherung von Selbstständigen im Alter zu verbessern. Eine Pflicht zur Altersvorsorge soll es aber nur für neue Selbstständige geben; die bereits heute Selbstständigen bleiben davon unberührt. Zudem soll es eine Karenzzeit von zwei Jahren nach jeder Gründung sowie einfache und unbürokratische Opt-Out Möglichkeiten in ein geeignetes privates Vorsorgeprodukt geben.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist federführend für die Erstellung des Referentenentwurfs. Ich gehe von einer Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode aus.
In Deutschland haben wir ein Alterssicherungssystem mit drei Säulen, die gemeinsam die Lebensstandardsicherung im Alter gewährleisten sollen. Das erschwert internationale Vergleiche, weil solche Vergleiche Leistungen aller Säulen oft nur unvollständig erfassen. Unter Einbeziehung der Leistungen aus allen drei Säulen und weiterer Einkünfte im Alter liegt Deutschland beim Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Bevölkerung über 65 Jahren im EU-Durchschnitt.
Wir leisten uns in Deutschland kein besonders hohes Rentenniveau, haben aber im internationalen Vergleich eine eher alte Bevölkerung. Eine höhere Gesamtleistung im Alter kann also nur aus mehr Kapitaldeckung kommen. Dafür stellen wir in dieser Legislaturperiode in allen drei Säulen die Weichen, und haben dabei insbesondere auch Menschen mit geringeren Einkommen im Auge.
Im Koalitionsvertrag haben wir eine grundlegende Reform der geförderten pAV vereinbart.
Um bessere Renditen zu ermöglichen, empfiehlt die Fokusgruppe, künftig auch die Förderung eines Altersvorsorgedepots ohne Garantien vorzusehen. Daneben soll aber auch die Förderung von versicherungsförmigen Produkten weiter möglich sein – hier empfiehlt die Fokusgruppe mehrheitlich mehr Spielräume für eine Absenkung der verpflichtenden Beitragserhaltungszusage, um auch hier chancenorientiertere Anlageformen zu ermöglichen.
Das BMF strebt ein Gesetzgebungsverfahren zur Reform der geförderten pAV im Jahr 2024 an. Dabei werden die Empfehlungen der Fokusgruppe maßgeblich einfließen.
In der gRV ist die Auszahlung als lebenslange Rente sinnvoll und wird auch allgemein akzeptiert. Bei der geförderten pAV stellt sich aber die Frage, ob diese zwingend auch der Grundabsicherung dienen muss oder ob sie vielmehr als ergänzendes Angebot zur Sicherung des Lebensstandards im Alter wahrgenommen wird. Die aktuell verpflichtende Teilkapitalverrentung ab spätestens dem 85. Lebensjahr ist ein Hauptbeschwerdegrund bei den aktuellen Riester-Verträgen. Viele Altersvorsorgende ärgern sich darüber, dass sie am Ende der Ansparphase verpflichtend ein Drittel ihres angesparten Altersvorsorgevermögens oder mehr dafür zurücklegen müssen.
Die Fokusgruppe empfiehlt daher, Altersvorsorgenden künftig mehr Flexibilität zu geben und beispielsweise neben Teilauszahlungen auch Auszahlungspläne ohne Restverrentung zu ermöglichen. So wird eine besser auf die individuelle Lebensplanung abgestimmte Auszahlungsphase möglich. Das kann die Attraktivität der pAV erhöhen und so durch eine stärkere Verbreitung unterm Strich sogar zu höheren Einkommen im Alter führen.
Aber es soll definitiv auch weiterhin möglich sein, sich für eine lebenslange Leibrente zu entscheiden, und zwar auch noch zu Beginn der Auszahlungsphase. Steuerlich wird das progressionsbedingt für viele die attraktivste Wahl sein.
Der Fachkräftemangel kehrt momentan in vielen Branchen traditionelle Verhältnisse um: Arbeitgeber werben um Personal und Fachkräfte. Die demografische Alterung wird diesen Trend noch verstärken. Attraktive bAV- und bKV-Angebote können dabei einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung und Bindung von Personal leisten. Für Beschäftigte wird im Kollektiv ein Zugang zu attraktiveren Konditionen der Anbieter möglich. Als Bundesregierung wollen wir die Unternehmen dabei unterstützen, indem wir attraktive Rahmenbedingungen und Anreize für solche Zusagen schaffen.
„Attraktive bAV- und bKV-Angebote können dabei einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung und Bindung von Personal leisten.“
Im Koalitionsvertrag haben wir eine Stärkung der bAV vereinbart, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen und punktuelle Verbesserungen des Sozialpartnermodells. Im Fachdialog zur Stärkung der Betriebsrente wurden Umsetzungsmöglichkeiten dafür diskutiert.
Das BMAS ist dabei für mögliche Anpassungen im Arbeitsrecht zuständig. Nach unserer gemeinsamen Auffassung ist das Ziel, das Sozialpartnermodell in die Breite zu bekommen, auch durch eine Öffnung für nicht-tarifgebundene Dritte. Das BMAS arbeitet daran; das ist eine arbeitsrechtliche Fragestellung.
Das BMF ist zuständig für das Steuer- und Finanzaufsichtsrecht. Im Steuerrecht wurde vor allem eine Ausweitung der Geringverdienerförderung des § 100 EStG gefordert. Im Finanzaufsichtsrecht geht es um die Ermöglichung von Anlagen mit höheren Renditemöglichkeiten, z. B. durch Anpassungen der Bedeckungsvorschriften. Wir sind dabei, hier zielführende Vorschläge zu erarbeiten. Ziel ist eine Reform zur Stärkung der bAV im Jahr 2024.
Das würde ich nicht überbewerten. Die Möglichkeit, Sozialpartnermodelle zu vereinbaren, besteht ja weiterhin. Und kurz nach dem Beschluss der IG Metall haben sich der Arbeitgeberverband des privaten Bankgewerbes (AGV Banken), ver.di sowie der Deutsche Bankangestellten-Verband (DBV) auf ein neues Modell verständigt.
In der kapitalgedeckten bAV bietet das Sozialpartnermodell das größte Renditepotenzial. Zudem können große Kollektive damit erreicht werden, was die Kosten senkt. Das sind die großen Stärken des Sozialpartnermodells.
„In der kapitalgedeckten bAV bietet das Sozialpartnermodell das größte Renditepotenzial.“
Die Entwicklung der Löhne blieb im vergangenen Jahr hinter den hohen Inflationsraten zurück, es kam zu deutlichen Reallohnverlusten. Mit der steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie haben wir als Bundesregierung eine rege genutzte Möglichkeit geschaffen, die Kaufkraftverluste bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch Einmalzahlungen abzufedern. Zusätzlich haben wir für steuerliche Entlastungen gesorgt.
Diese Maßnahmen dürften auch ein Grund dafür sein, dass die aktuellen Tarifabschlüsse zwar wieder steigende Realeinkommen erwarten lassen, es aber derzeit keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Spirale im Sinne eines sich selbst beschleunigenden Prozesses gibt. Wir werden die Entwicklung aber weiter genau beobachten.
Für das Verhindern einer Lohn-Preis-Spirale ist wichtig, dass die Tarifparteien von einem mittelfristigen Absinken der Inflation auf das Inflationsziel von 2 % ausgehen. Es entspricht dem erklärten Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), darauf hinzuwirken. Die Finanzpolitik kann ihren Beitrag zur Inflationsbekämpfung leisten, indem sie die Geldpolitik nicht konterkariert. Eine tendenziell restriktiv ausgerichtete Finanzpolitik vermeidet zusätzlichen Preisdruck durch expansive staatliche Impulse und wirkt damit auch der Gefahr von Lohn-Preis-Spiralen entgegen.
Das primäre Mandat der EZB ist die Wahrung der Preisstabilität. Die EZB hat in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie alles Notwendige zur Erreichung dieses Ziels tun wird. Ich bin überzeugt, dass die Gewährleistung von Preisstabilität der beste Beitrag ist, den die Geldpolitik zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum und Beschäftigungsaufbau leisten kann.
MdB und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen Bundestagsabgeordneter für den Bundestagswahlkreis 260 (Böblingen) und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen
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