Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat am 30.04.2021 den Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021 „Handelsrechtliche Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen“ veröffentlicht. Darin wird eine Anwendung des geänderten Bewertungsverfahrens für alle Bilanzstichtage ab dem 31.12.2022 von den Wirtschaftsprüfern verlangt.
Zielsetzung des IDW-Rechnungslegungshinweises ist ein Bilanzbild, das den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen entspricht. Dazu sollen die handelsrechtlich erdienten Ansprüche hinsichtlich gleichlaufender Zahlungsströme mit den Ansprüchen aus der Rückdeckungsversicherung (RDV) verglichen werden. Dies soll insbesondere bei nur teilweise gleichlaufenden Zahlungsströmen zu einer realistischeren Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse führen.
Für die praktische Umsetzung hat der Fachausschuss Altersversorgung der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) im April 2022 einen Ergebnisbericht mit einem pragmatischen Ansatz vorgestellt, der die Anwendung des IDW-Hinweises umsetzbar machen soll.
Bisher wurden Aktiv- und Passivseite nur bei Vorliegen vollständiger Kongruenz (Zeitpunkt, Art und Höhe der Leistungen) gleich bewertet. Insbesondere Unverfallbarkeitsregelungen und Rentenanpassungen sorgten regelmäßig dazu, dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Ebenso häufig in der Praxis anzutreffen sind RDV, die nur einzelne Risiken (Alter, Invalidität, Tod) abdecken und somit nicht vollständig die Zusage widerspiegeln.
Das IDW fordert nun, die einzelnen Zahlungsströme aus Zusage und RDV zu vergleichen und in den gleichlaufenden Teilen kongruent, d.h.in gleicher Höhe zu bewerten. Für die Bewertung des kongruenten Teils besteht ein Wahlrecht, ob der darauf entfallende Aktivwert der RDV (Aktivprimat) oder der darauf entfallende Rückstellungswert der Pensionszusage (Passivprimat) angesetzt wird. Nicht kongruente Teile werden nach den bisherigen Grundsätzen bewertet.
Für diese Analyse des Zahlungsstromes liegen in der Praxis meist nicht alle Informationen über die RDV vor, hier setzt der Ergebnisbericht der DAV an. Neben dem zahlungsstrombasierten Bewertungsverfahren werden faktorbasierte Verfahren beschrieben. Beim Deckungskapitalverfahren wird der Erfüllungsbetrag der Pensionszusage mit Hilfe der Gesamtverzinsungserwartung der RDV und mit den passenden Biometriefaktoren in einen sogenannten „Aktivwert der Pensionszusage“ umparametrisiert. Das Verhältnis des modifizierten Erfüllungsbetrages der Pensionszusage (Aktivwert der Pensionszusage) und der Rückdeckungsanspruch (Aktivwert der RDV) bestimmt den kongruenten Anteil der Pensionszusage. Beim spiegelbildlichen Erfüllungsbetragsverfahren wird der Aktivwert der RDV in einen sogenannten „Erfüllungsbetrag der RDV“ umparametrisiert.
Dieses Verfahren adressiert das Kernanliegen des IDW RH kommt zugleich mit den Informationen aus, die bisher schon vom Versicherer im Aktivwertnachweis, den Standmitteilungen oder Police der RDV in der Regel zur Verfügung gestellt werden.
Grundsätzlich sind alle Unternehmen mit versicherungsrückgedeckten Leistungszusagen betroffen, die nach HGB bilanzieren. Der IDW-Hinweis hat zwar keine Gesetzeskraft, in der Praxis wird aber der Großteil der Wirtschaftsprüfer die Umsetzung fordern.
Besteht eine vollständige Bindung der Pensionszusage an die RDV ergeben sich keine Auswirkungen, wie bisher erfolgt die Bewertung als wertpapiergebundene Zusage. Ebenfalls keine Änderung ergibt sich bei RDV, deren Wertentwicklung fonds- oder indexgebunden sind. Bei Abweichungen zwischen den Auszahlungsformen bei den RDV und den Pensionszusagen (z. B. Rentenzusage vs. Kapitaltarif der RDV) kommt eine Anwendung des IDW-Rechnungslegungshinweises nicht zum Tragen.
Bei der Ermittlung von Fehlbeträgen aus mittelbaren Verpflichtungen (rückgedeckte Unterstützungskassen, versicherungsförmiger Pensionsfonds) sind die Grundsätze des IDW-Rechnungslegungshinweises sinngemäß zu berücksichtigen.
Für die Erstellung der versicherungsmathematischen Gutachten sind zukünftig gemäß DAV-Ergebnisbericht in der Regel weitere Informationen notwendig, die jedoch alle bereits bisher vom Versicherer in Form des Aktivwertnachweises, der Standmitteilung oder der Police zur Verfügung gestellt wurden. Reichten bisher die Aktivwerte der RDV aus, sind nun weitere Daten zur RDV notwendig, wie z. B. Garantiezins, Versicherungsbeginn oder Auszahlungsoptionen. Insbesondere ist sicherzustellen, dass alle RDV dem Gutachter bekannt sind – unabhängig vom Verpfändungsstatus. Eine rechtzeitige Abstimmung mit dem Wirtschaftsprüfer/Steuerberater und dem Aktuar in die Abstimmung zu gehen ist empfehlenswert. Insbesondere bei der erstmaligen Umstellung ist mit einem höheren Aufwand für die Gutachtenerstellung zu rechnen. Grundsätzlich unterstreicht der DAV-Ergebnisbericht die Modellverantwortung des Gutachters, der auf Basis der bereits bisher zur Verfügung gestellten Daten der Versicherer seine Bewertung vornimmt.
Durch die geänderte Bewertung können sich bilanzielle Auswirkungen ergeben – in welchem Umfang lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Die resultierenden Auswirkungen sind zum Zeitpunkt der Umstellung sofort ergebniswirksam zu erfassen, eine Verteilungsregelung über mehrere Perioden ist nicht vorgesehen.
Stand bisher das Schließen vorhandener Finanzierungslücken im Fokus für den Abschluss zusätzlicher RDV, kann nun auch der bilanzielle Gleichlauf von Aktiv- und Passivseite im Vordergrund stehen. Dies kann durch eine Nachfinanzierung der Pensionszusage mit RDV bzw. durch eine Anpassung der Pensionszusage an den Stand der RDV erreicht werden. Hier ist immer eine individuelle Prüfung und einzelfallbezogene Entscheidung erforderlich.
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